Im Flow wie das „Wunderteam“: „Kann auf Italien absolut zutreffen“

Mentalcoach Roman Braun spricht über die mentalen Herausforderungen der Spieler, den Heimvorteil und wie ein Schockmoment wie jener von Christian Eriksen zu verarbeiten ist.

Die italienische Nationalmannschaft beispielsweise befindet sich aktuell in einem Flow – wie sehr kann so etwas mental besonders in einem kurzweiligen Turnier ausmachen?
Sehr viel. Wenn ein Team in einen Flow kommt, werden vor jedem neuen Spiel die letzten Erfahrungen, die man auf dem Platz gehabt hat, aktualisiert. Das ist wie eine eigene Zeitlinie. Wenn da eine positive Erinnerung dominiert, profitiert man vom sogenannten „Happyness-Advantage“ und performt besser. Sowohl körperlich – die Schmerztoleranz und die Leistungsbereitschaft sind größer – aber auch kognitiv. Man ist eher in der Lage, taktische Konzepte umzusetzen. Das österreichische Wunderteam der Zwischenkriegszeit hatte so einen Lauf und wurde praktisch Europameister. Das kann auch auf Italien absolut zutreffen.

Wie gut muss ein Mentaltrainer die Spieler kennen, um einen Nutzen daraus zu ziehen?
In einer Mannschaft muss man immer auf die Konstellation der Spieler achten. Es ist ähnlich heikel wie bei einer chemischen Mischung: Es genügen ein oder zwei neue Personen im Team und es gibt eine völlig neue Gruppendynamik. Da können sich dann neue Hauptkonfliktachsen zeigen, wo man sofort intervenieren muss. Da ist es für einen Mentaltrainer belanglos, ob er davor schon mit den Leuten gearbeitet hat.

Das österreichische Nationalteam greift beispielsweise auf keinen Mentalcoach zurück. Wäre ein Mentaltrainer in der Nationalmannschaft, wo sich die Spieler und der Betreuerstab nur ein paar Tage im Jahr sehen, überhaupt sinnvoll?
Natürlich. Man kann davon ausgehen, dass im Nationalteam Spieler mit Erfahrung sind, die in ihren Teams bereits Teambildungsprozesse erlebt haben. Ich verwende immer die Parallele: Wenn sich jemand verletzt, kann der Trainer auch erste Hilfe leisten, aber es gibt einen Grund, warum man einen Teamarzt dabei hat. Und der ist immer dabei, auch wenn sich niemand verletzt.

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